Im Tessin zur Schule und in Wettingen zur Arbeit: Für Mia Schaufelberger war das während ihrer zwei Praktika in der arwo Stiftung Realität. Dabei wurde die 17-Jährige nicht nur selbstständiger, sondern lernte auch, nicht immer sofort zu reagieren.

Wie ist das Wetter heute?», fragt Mia Schaufelberger in die Runde. Sie spricht hochdeutsch, ihr italienischer Akzent verrät, dass Deutsch nicht ihre Muttersprache ist. «Kalt», antwortet Felix Frei. «Hast du das gerne?» «Es geht.» Mia Schaufelberger lacht. Sie versteht alle, die nichts mit dem nebligen Wetter anfangen können, das an diesem Morgen herrscht. Anders als die Mitarbeiter*innen, mit denen sie an diesem Morgen im Atelier Deko herstellt, ist sie sich auch nicht daran gewöhnt. In Minusio oberhalb von Locarno, wo sie mit ihrem Bruder und den Eltern lebt, scheint die Sonne häufiger als in der Deutschschweiz.

Bis vor einem Jahr kannte sie selbst die Region Baden nur von den gelegentlichen Besuchen, die sie bei ihren Grosseltern machte. Als ihr vor einem Jahr die Möglichkeit geboten wurde, ein Praktikum in der arwo zu absolvieren und für ein paar Wochen in Baden zu leben, war sie sofort begeistert – trotz des Wetters.

So kam es, dass die damals 16-Jährige im Mai 2021 ein 7- und ein Jahr später ein 16-wöchiges Praktikum in der arwo Stiftung absolvierte. Sie sind Teil der Ausbildung an der «Scuola specializzata per le professioni sociali e sanitarie» (SSPSS), die Mia Schaufelberger im dritten Jahr in Lugano absolviert. Der Abschluss ist ähnlich wie jener als Fachfrau Betreuung in der Deutschschweiz. Allerdings dauert ihre Schulzeit vier Jahre und schliesst mit der Fachmatur ab. «Beim Arbeiten lerne ich viel», sagt sie und fügt an: «zum Beispiel, wie wichtig es ist, nicht immer sofort zu reagieren, sondern stehen zu bleiben und eine Situation zu beobachten.» Das erkläre oftmals das Verhalten der Mitarbeiter*innen und lasse Rückschlüsse zu, die im Alltag helfen.

Wenn ich reinkomme und lächle, dann bringe ich Freude zu ihnen.

Mia Schaufelberger

Dank ihrer offenen Art hat die Tessinerin schnell Kontakt zu den Mitarbeiter*innen gefunden. Sie mochte Menschen schon immer und hatte auch nie Berührungsängs-te mit Menschen mit Beeinträchtigung. «Ich rede viel, mit allen, wirklich, und bin energievoll. Wenn ich reinkomme und lächle, dann bringe ich Freude zu ihnen», sagt sie und strahlt übers ganze Gesicht. Die Praktika bestätigten ihr, den richtigen Beruf gewählt zu haben. Und sie halfen, selbstständig und erwachsen zu werden. «Ich fand es cool, mich alleine zurechtzufinden und hier im Atelier sind alle so nett zu mir.» Anstrengend fand sie hingegen die langen Zugfahrten während des zweiten Praktikums: Nach drei Tagen Arbeiten fuhr sie am Mittwochabend zurück ins Tessin und drückte die restlichen zwei Tage die Schulbank.

Als die arwo vor drei Jahren angefragt wurde, solche Praktika anzubieten, hat sie nicht sofort zugesagt. «Letztendlich will die arwo aber ein aktiver Ausbildungspartner und -anbieter sein», begründet John Green, Leiter Agogik, das Umbesinnen. Davon profitieren alle. «Es ist eine Bereicherung für uns und die Gruppe», zieht Nina Pieper, die Mia während des Praktikums betreute, positive Bilanz: «Mia hat viel Energie mitgebracht und war sofort in der Gruppe integriert.» So sei neben der Erreichung der von der Schule vorgegebenen 100 Ziele trotzdem Zeit für das Arbeiten und Zusammensein mit den Mitarbeiter*innen geblieben .

Mittlerweile hat Mia Schaufelberger das Praktikum beendet und geht wieder die ganze Woche in Lugano zur Schule. Wenn sie in einem Jahr die Erstausbildung beendet hat, will sie sich vielleicht noch zur Sozialarbeiterin weiterbilden lassen. «Mein Traum wäre, in Italien Gassenarbeit zu machen.» Um herauszufinden, wie die Menschen dort leben und ihnen zu helfen. In Italien, wo das Wetter bestimmt weniger garstig und sonniger sein wird.