Zehn Jahre lang war Simon Häfeli Mitglied des Stiftungsrats in der arwo. Per Anfang Jahr hat er das Präsidium übernommen. Was seine Beweggründe sind und wo er die arwo in der Zukunft sieht, hier im Interview.
Wie kam es dazu, dass Sie 2014 Mitglied des arwo-Stiftungsrats wurden?
Regina Küng, die damals mit mir in der Kanzlei arbeitete, trat als Stiftungsrätin zurück und fragte, ob das nicht etwas für mich wäre. Es ist sinnvoll, in einem solchen Führungsgremium jemanden mit juristischem Wissen zu haben. Fast in jedem Lebensbereich hat man mit Gesetzen und Verträgen zu tun. Persönlich habe ich einen starken familiären Bezug zum Thema. Mein Bruder kam mit einer schweren kognitiven Beeinträchtigung zur Welt, mein ältester Sohn mit Trisomie 21. Daher habe ich ein grosses Interesse und Verständnis für die Situation. Gepaart mit der jahrelangen Tätigkeit im Stiftungsrat hat das dazu geführt, dass ich die Aufgabe als Präsident sehr gerne annahm.
Wann wurde das Down Syndrom diagnostiziert?
Am Anfang gar nicht, der Kinderarzt hat es drei Tage nach der Geburt festgestellt. Das war eine sehr schwierige Situation für uns Eltern. Man macht sich unbewusst eine Vorstellung von seinem Kind und muss sich dann davon verabschieden. Es war zusätzlich schwierig, weil die Diagnose erst nach der Geburt gestellt wurde.
Hat die Beeinträchtigung den Entscheid für weitere Kinder beeinflusst?
Natürlich überlegt man sich das gut, das Leben mit einem Kind mit Trisomie 21 ist eine grosse Herausforderung, ich will das gar nicht schönreden. Doch wir hatten das Gefühl, es würde Ari, so heisst unser ältester Sohn, guttun. Er hat viele Stärken, sucht und gibt grosse Nähe und seine Sensibilität ist ausserordentlich. Nach der zu Beginn notwenigen Verarbeitung der Situation können wir uns heute ein Leben ohne Ari nicht vorstellen.
Wie ist das Zusammenleben heute?
Als der zweitälteste Sohn den älteren in der Entwicklung überholte, war das für Ari schwierig. Im Moment haben die drei Geschwister jedoch eine super Phase, sie spielen viel miteinander und profitieren gegenseitig. Gerade die beiden jüngeren Kinder haben sich dank Ari eine grosse soziale Kompetenz angeeignet.
Familie, Job und nun das Stiftungsratspräsidium: Wie bringen Sie das alles unter einen Hut?
(Lacht) Viel Zeit, um eigenen Hobbys zu frönen, habe ich tatsächlich nicht. Doch wenn ich merke, dass ich Zeit für mich brauche, kann ich mir diese nehmen. Auch weil ich mir meine Arbeit im Job relativ frei einteilen kann und ich in einem extrem guten Team arbeite. Meine Frau und ich leben getrennt und teilen uns die Kinderbetreuung. Das funktioniert sehr gut, wir haben ein gutes Miteinander. Die Arbeit im Stiftungsrat gibt mir viel zurück: Es sind spannende Aufgaben, ich kann mein Wissen einbringen und lerne sehr viel. Gerade jetzt in der Bauprojektphase. Als Rechtsberater habe ich auch mit Bau- und Immobilienrecht zu tun, aber nicht so detailliert wie hier. Ich profitiere vom Austausch mit der Baukommission und bekomme von einer anderen Seite Einblick. Das fördert das Verständnis fürs Bauwesen.
Mit welchen Themen beschäftigen Sie sich als Stiftungsratspräsident gerade und was liegt Ihnen besonders am Herzen?
Die arwo ist in einer prägenden und sehr spannenden Phase, das reizt mich sehr. Einerseits wird uns das Bauprojekt in den nächsten fünf Jahren extrem beschäftigen. Auch der Übergang an die neue Geschäftsleitung, die Suche nach einer Nachfolge von Geschäftsführer
Roland Meier bei seiner Pensionierung und die Verjüngung des Stiftungsrats sind zwei Themen, die in den nächsten Jahren auf mich zukommen und mir sehr am Herzen liegen.
Die arwo hat seit Anfang Jahr ein neues Organigramm. Was sind die wichtigsten Änderungen und warum sind sie nötig?
Es gab viele Führungspersonen, die nur eine oder sehr wenige direkt unterstellte Personen hatten. Die Hierarchie war extrem steil, es gab viele Stufen, die unserer Meinung nach nicht mehr nötig waren und abgeschafft wurden. Dafür bekamen Angestellte, Gruppenleiter und Abteilungsleiter mehr Kompetenzen und Verantwortung im Tagesgeschäft im Rahmen ihres Budgets. Innerhalb der Geschäftsleitung bestanden unterschiedliche Ideen, wohin es gehen soll. Das hat zu Blockaden geführt. Der Stiftungsrat wollte nicht, dass sich die Situation weiter zuspitzt und womöglich während der herausfordernden Bauphase eskaliert. Wir konnten nun die Geschäftsleitung im letzten Jahr neu aufstellen und verschlanken. Die Leitung der HR-Abteilung, welche bislang Teil der Geschäftsleitung war, ist nun als Stabsstelle direkt dem Geschäftsführer unterstellt. Grund dafür sind Herausforderungen bei Stellenbesetzungen im Umfeld des akuten Fachkräftemangels. Das liegt nun in der Verantwortung des Geschäftsführers. Um diese Veränderungen aufzuzeigen, wurde das Organigramm angepasst.
Die arwo ist dran, Leitbild, Mission und Vision zu erneuern. Inwiefern ist der Stiftungsrat daran beteiligt?
Derzeit werden die Inputs von den Menschen gesammelt, die täglich in der arwo arbeiten oder dort wohnen. Der Stiftungsrat ist der Ansicht, dass Leitbild, Mission und Vision wichtig sind, jedoch nur, wenn sie von denjenigen unterstützt werden, die die arwo mit ihrem täglichen Einsatz tragen. Sobald die Ideen unserer Mitarbeitenden und Bewohner auf dem Tisch liegen, wird der Stiftungsrat diese zusammenführen und mit unserer langfristigen Strategie in Einklang bringen.
Der gesellschaftliche Wandel führt zu neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen wie der Subjektfinanzierung oder dem Bedürfnis nach mehr Selbstbestimmung. Wo will sich die arwo positionieren?
Das ist eine sehr gute Frage, es gibt noch viele Unklarheiten seitens der Gesetzgeber und es ist noch kaum abschätzbar, wie die Rahmenbedingungen ausgestaltet werden. Allerdings bin ich überzeugt, dass weiterhin ein Bedarf an betreutem Wohnen besteht. Die Art der Betreuung wird individueller auf die Bedürfnisse der Bewohner und Arbeitnehmer mit Beeinträchtigung abgestimmt werden. Auch wenn es der Wunsch ist, diese individuelle Abstimmung so stark wie möglich auszugestalten, ist es letztlich auch eine Frage der Finanzierbarkeit. Die öffentliche Hand ist der wichtigste Geldgeber unserer Stiftung und wird dies auch bleiben. Wir versuchen natürlich, mit effizientem Mitteleinsatz und dem Generieren zusätzlicher Mittel für unsere Menschen mit Beeinträchtigung die bestmöglichen Bedingungen zu schaffen.
Wo sehen Sie die Stärke der arwo?
Die arwo lebt Inklusion, sie ist im Dorf integriert. Es ist aus meiner Sicht ganz wichtig, dass man uns auf der Strasse, im Dorf sieht und keine Abschottung entsteht. Dasselbe gilt für den Arbeitsbereich: Es wird mehr Individualität gefordert. Ein Modell sind die Mischformen von Werkstätten und integrativem Arbeiten im ersten Arbeitsmarkt. Also, dass im ersten Arbeitsmarkt Jobs mit Betreuung geschaffen werden. Das ist ein zusätzlicher Aufwand und braucht Verständnis und ein Team, das Integration zulässt.
Ist die Gesellschaft parat dafür?
Es hängt stark von einzelnen Personen im Betrieb ab, die pushen und bereit sind, den Weg zu gehen. Doch der politische Wille geht in diese Richtung. Der Druck steigt, gesetzliche Rahmenbedingungen zu schaffen, damit es auch für die Betriebe kostendeckend ist. Gelingt das, profitieren alle davon. (Melanie Bär)