Fernando Santana absolvierte in der arwo mit 19 Jahren eine Ausbildung als Schreiner. Noch immer ist er bei der arwo angestellt, arbeitet jedoch im Werkhof der Gemeinde Wettingen mit. Seine grosse Leidenschaft ist das Futsal, das ihn im Herbst nach Italien bringt.

Fernando Santana stellt sein Fahrrad in den Ständer und betritt das Werkhofgebäude. Er hat gerade mit seiner Frau und Tochter zu Mittag gegessen und will am Nachmittag vor der Schulanlage Margeläcker Bänke montieren. Zusammen mit Marc Meier, einem der 15 technischen Mitarbeiter des Werkhofs, hat er diese vorher abmontiert, im Werkhof abgeschliffen und neu gestrichen.
Die körperliche Tätigkeit kommt ihm gerade gelegen. «Ich muss abnehmen und fitter werden», sagt er, während er sich lachend über den Bauch streicht. Denn im Oktober steht ein wichtiger Termin an: Er nimmt als Torhüter an der Futsal-Europameisterschaft der Gehörlosen in Italien teil, der European Deaf Futsal Championsship 2022. Auch wenn die Kondition im Goal etwas weniger gefragt ist als bei den übrigen Spieler*innen, will er seine Fitness bis dahin trotzdem weiter verbessern.
Er geht auf die Knie und demonstriert ein paar Kräftigungsübungen. «Zu Hause kann ich nicht in Ruhe trainieren, meine dreijährige Tochter stört mich immer», sagt er und lacht wieder. Er nimmt sein Handy und zeigt ein paar Fotos von ihr: Ein strahlendes Mädchen mit schwarzen Locken und dunklen Augen. «Sie ist hübsch», sagt er stolz und fügt an: «Sie ähnelt meiner Mutter.» Die exotischen Züge sind tatsächlich nicht abzustreiten, auch beim 35-Jährigen nicht.

Karibische Wurzeln
Seine Eltern stammen aus der Karibik, als Neunjähriger zog Fernando Santana mit ihnen und seinen zwei Geschwistern in den Aargau. Aufgrund seiner Gehörlosigkeit besuchte er den Landenhof, eine Schule für Schwerhörige in Unterentfelden. Dort lernte er Lippenlesen und Gebärdensprache. Als 19-Jähriger liess er sich in der arwo Stiftung als Mitarbeiter in der internen Schreinerei ausbilden. 15 Jahre lang arbeitete er anschliessend dort – bis diese im 2020 geschlossen wurde. Seither hilft er im Werkhof mit. Die Mitarbeiter kannte er schon vorher, weil sich die ehemalige arwo-Schreinerei in den Räumlichkeiten des Werkhofgebäudes befand. Auch Marc Meier, mit dem er meistens unterwegs ist, kennt er bestens. Zuvor hat Marc Meier ebenfalls in der Schreinerei der arwo gearbeitet und dort Fernando angeleitet und bei Bedarf unterstützt.

Lautloses Hallenfussball
«Die Arbeit gefällt mir sehr gut», sagt er. Auch mit seinen neuen Arbeitskollegen versteht er sich gut. «Hoi Fernando», sagt einer von ihnen beim Vorbeigehen und klopft ihm auf den Rücken. Einige von ihnen interessieren sich auch für seinen Sport und haben während der Qualifikation die Spiele im Aufenthaltsraum live verfolgt. «Es ist speziell zum Zuschauen, weil fast lautlos gespielt wird und sich auch ein Teil des Publikums auf der Tribüne in Gebärdensprache miteinander unterhält», sagt Marc Meier.
Für Fernando Santana ist das Alltag. Er kam mit einer Gehör-Beeinträchtigung zur Welt und hat sich daran gewöhnt, von den Lippen zu lesen. Das Masken-Tragen in den vergangenen beiden Jahren wurde für ihn deshalb zur Herausforderung. Er musste seine Mitmenschen immer wieder bitten, die Maske zu entfernen, wenn sie mit ihm sprachen, und erntete dabei viel Unverständnis. «Jetzt ist endlich wieder alles normal», sagt er sichtlich erleichtert. Er hofft, dass das so bleibt und er im Oktober unbeschwert an die Futsal-Europameisterschaft ins italienische Montesilvano fahren kann.

Die letzte Meisterschaft
Es wird sein letzter Wettkampf sein. Nach 18 Jahren will er danach kürzertreten. Einerseits aufgrund seines Alters, andererseits weil es kaum Trainingsmöglichkeiten in der Region gibt. Um sich auf die Meisterschaft vorzubereiten, muss er in der ganzen Schweiz zum Training fahren. Die Kosten werden nicht übernommen. «Ich besitze kein Auto und Zugfahren ist teuer.» Deshalb und um sich fit zu halten, wird er auch künftig seinen Arbeitsweg von Neuenhof nach Wettingen mit dem Fahrrad zurücklegen. Denn Bewegung und Fitness braucht er auch, wenn er bald nicht mehr als Goalie Deaf-Futsal spielt. (Melanie Bär)